Bint-Anat, Tochter und Große Königliche Gemahlin Ramses II.


Eine der Varianten der Schreibung des Namens

Titel: Königstochter, leibliche Königstocher, jr.jt-pa.t, Große Königliche Gemahlin, Herrin der beiden Länder, Herrscherin von Ober- und Unterägypten

 


  Uschebti der Bint-Anat aus Memphis
nach Martin,
Hidden Tombs, S. 82
 

Bint-Anat ist die älteste Königstochter und das zweite Kind der Königin Isisnofret. Ihr Name ist semitischen Ursprungs und bedeutet Tochter der Anat. Anat war eine syrische Kriegsgöttin, die im Ägypten der Ramessidenzeit als Tochter des Re, Gefährtin des Seth und als Schutzgottheit des Königs im Krieg verehrt wird.
Im Gegensatz zu den eher spärlichen Zeugnissen, die von ihrer Mutter erhalten sind, ist der archäologische Befund bei Bint-Anat wesentlich umfangreicher. Sie führt nicht nur die lange Reihe der Prinzessinnen an, erscheint auf den Familienmonumenten ihres Bruders Chaemwaset, sondern tritt auch einzeln auf, wie z.B. auf einem Pfeiler im großen Tempel von Abu Simbel, wo sie der Göttin Anuket einen Blumenstrauß darbringt. Sie scheint eine Domäne mit einer Ölmühle besessen zu haben, die ihrem Auskommen diente: in Qurna wurde das Siegel eines Ölgefäßes mit der Aufschrift Pflanzenöl von der Domäne der Bint-Anat entdeckt. Ebenso ist sie auf diversen Statuen ihres Vaters abgebildet bzw. genannt worden, so z.B. auf einigen Monumenten, die in Tanis aufgefunden wurden, aber aus Pi-Ramesse stammten, z.B. einer Kolossalstatue des Königs aus Sandstein mit den seitlichen Darstellungen Bint-Anats und Merit-Amuns als Große Königliche Gemahlinnen oder einer Statue vom Sinai.
Zwei Uschebtis aus grüner Fayence mit ihren Namen tauchten in einem der Schächte des memphitischen Grab des Haremhab auf, der für die Bestattungen zumindest zweier Personen aus der 19. Dynastie benutzt wurde.

 

 

Wann genau Bint-Anat von ihrem Vater zur Großen Königlichen Gemahlin erhoben wurde, ist ungewiss. Nach der Aufschrift eines Gefäßes, dessen Fragmente in QV 80, dem Grab ihrer Großmutter gefunden wurde, trug die Prinzessin zu dem Zeitpunkt von Tujas Tod diesen Titel bereits. Ob es sich bei der Verleihung dieses höchsten Ranges, den eine Frau am Königshof erreichen konnte, um eine tatsächlich vollzogene Ehe zwischen Vater und Tochter handelte, ist in der Ägyptologie hinreichend diskutiert worden. Dafür, daß die Ehe nicht nur rein formeller Natur war, wird ein Relief in QV 71, dem Grab Bint-Anats angeführt, das die Königin mit einer angeblichen Tochter zeigt.

 

  Bint-Anat und die namenlose junge Frau in QV 71
nach Schmidt/Willeitner, Nefertari, S. 36
 

Links auf dem Bild erscheint die Grabinhaberin mit ihren Titeln Große Königliche Gemahlin, Herrin der beiden Länder, Herrscherin von Ober- und Unterägypten, Bint-Anat, gerechtfertigt. Sie trägt eine dreiteilige Perücke mit Geierhaube und Modius auf dem Kopf und kleine Knopfohrringe. Hinter ihr steht, die Hände in Anbetung erhoben, ein Mädchen mit Jugendlocke und einer Lotosblüte, die ihr in die Stirn hängt. Über ihr befindet sich die Inschrift sA.t nswt n X.t=f, was wortwörtlich erst einmal Tochter des Königs von seinem Leibe bedeutet, also leibliche Königstochter, was allerdings nicht zwingend heißen muß, daß Ramses II. tatsächlich der Erzeuger dieser jungen Frau war.

 

 

Es kann sich bei dem Mädchen ebenso gut um seine Enkeltochter oder um eine andere entfernte Blutsverwandte handeln. Denn da das Ägyptische keine eindeutigen Verwandtschaftsbezeichnungen kennt, ist die Identifizierung dieser Namenlosen nicht so offensichtlich wie oft in der Sekundärliteratur dargestellt wird. Auch die Mutterschaft Bint-Anats wird nur anhand dieser Darstellung vermutet, während bislang sonst keinerlei Hinweise darauf gefunden wurden. Es muß sich von daher die Frage stellen, ob das hier abgebildete Mädchen, das immerhin zweimal in QV 71 auftaucht, tatsächlich ein Sproß der Prinzessin bzw. eine nahe Verwandte der Königsfamilie war. Wenn dem so wäre, warum ist dann ihr Name nicht angegeben, der doch für die alten Ägypter eine so enorme Bedeutung hatte? Gerade bei Ramses II., der ausgiebig wie kein anderer die Schar seiner Kinder mit Namen und Titel und auch andere Familienmitglieder abbilden ließ, mutet dieser Umstand mehr als seltsam an. Man könnte von daher auch zu dem Schluß kommen, daß die junge Frau zum Gefolge der Königin gehörte, wie z.B. die Dienerschaft von der Schwester Ramses II., Tia, in deren Grabmal in Memphis erscheint. Das "sA.t nswt" wäre dann als ein Hofrangtitel zu verstehen und das "n X.t=f" möglicherweise nur aus Versehen hinzugefügt worden, mag aber auch ein wie auch immer geartetes Verwandschaftsverhältnis zur Königsfamilie bezeichnet haben. Zur möglichen Identifizierung des Mädchens mit Henutmire: siehe dort!

Darstellung Bint-Anats in Luxor
Luxor, Westinnenwand des ersten Hofes: Bint-Anat (li) und eine Schwester

Wie die Große Königliche Gemahlin Nefertari trägt auch Bint-Anat den Titel einer jr.jt-pa.t. Wortwörtlich bedeutet jr.jt-pa.t Die zum pa.t-Volk Gehörige, wobei das pa.t-Volk vor allem göttliche Wesen, den Hofstaat des Gottes Re, im religiösen Sinne bezeichnet, und im profanen Bereich wohl eher die soziale Oberschicht -Beamtenschaft & Königsfamilie-, d.h. den Hofstaat des Pharaos. Jr.jt-pa.t wird im allgemeinen als Erbprinzessin oder Regentin übersetzt und stellt die weibliche Form des Titels jr.j-pa.t dar, der oft, aber nicht nicht ausschließlich vom ältesten Königssohn oder hohen Beamten, wie z.B. dem Wesir, getragen wurde. Da der jr.j-pa.t als Vertreter des Herrschers fungiert -speziell als dessen Ersatz beim Kultlauf des Hebsed für den alten König-, könnte man eine ähnliche Rolle mit der jr.jt-pa.t verbinden, die zur Unterstützung der älteren Königin herangezogen wird, falls diese z.B. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, ihre Aufgaben zu erfüllen; im Falle Bint-Anats agierte diese dann als Vertretung für ihre Mutter, die Große Königliche Gemahlin Isisnofret. Im Falle von Nefertari ist möglicherweise eine Vertretung der Königsmutter Tuja, die als Gottesgemahlin dem Amun diente, in diesem Amt anzunehmen.

Bint-Anat überlebte ihren Vater und tritt anscheinend auch als GKG ihres Bruders Merenptah auf. Ihre Darstellung, deren Beischrift sie als Königsschwester und Große Königliche Gemahlin bezeichnet, findet sich an der Seite einer Statue Merenptahs, die heute im Garten des Museums von Luxor gezeigt wird.

Für weitere Belege/Darstellungen Bint-Anats -> Isisnofret und Henutmire