|
Die Mumie
Die Mumie Ramses II stellt ein Meisterwerk altägyptischer Balsamiertechniken dar, trotzdem rührt ihr wunderbarer Erhaltungszustand nicht zuletzt von der Arbeit des französischen Wissenschaftlerteams im Musée de l'Homme in Paris her, das in den Monaten September 1976 bis Mai 1977 die Möglichkeit hatte, den Leichnam des Pharaos während seines 'Staatsbesuches' in Frankreich gründlich zu untersuchen und zu restaurieren.
Die Mumie des Pharaos wurde von offizieller Seite her im Juli 1881 entdeckt, als Muhammad er-Rassul, ein Angehöriger der berühmt-berüchtigten Grabräubersippe, einige Beamte der Altertumsverwaltung -unter ihnen Emil Brugsch- zu dem (seiner Familie schon lange bekannten) Grab des Hohepriesters Pinodjem II (TT 320) führte, das seit der Antike den Mumien von Ahmose, Thutmosis I, II & III, Ramses I, Sethos I und Ramses II als Grabstätte diente.
Bevor die Mumie Ramses II endlich ihre Ruhe in der Familiengruft der Pinodjemfamilie fand, hatte sie schon eine Odyssee durch die thebanische Gräberwelt hinter sich.
Im 25. Jahr Ramses XI wurde der gefledderte Leichnam des Königs aus seinem geplünderten Grab geschafft, restauriert, wobei er sicherlich der letzten kostbaren Amulette, die ihm verblieben waren, noch beraubt wurde und schließlich ins Grab seines Vaters Sethos I gebracht, wo er nur 60 Jahre bleiben sollte, bis er schließlich während der Regierung des Si-Amun (21. Dynastie) mit der Mumie seines Vaters zusammen im Grab der Königin Inhapi in Deir el-Bahari bestattete wurde.
Dieses Begräbnis blieb aber auch nur 40 Jahre lang ungestört, zuletzt landete Ramses endlich mit seinen anderen Amtskollegen im besagten Grab des Pinodjem.
Nach der 'Entdeckung' dieser Cachette wurde Ramses mit den anderen Königen ins Museum von Boulaq gebracht, wo er dann unter großem Trubel am 1. Juni 1886 von Maspero innerhalb von nur 15 Minuten ausgewickelt wurde. (Apophis möge Maspero für diesen Frevel verschlingen!!)
Seit 1902 befindet sich die Mumie des Pharaos im Ägyptischen Museum in Kairo, das sie Ende 1976 verließ, um in Frankreich im Rahmen einer Sonderausstellung untersucht und restauriert zu werden, was letztendlich die Rettung der sterblichen Hülle Ramses II bedeutete, die durch ungünstige klimatische Bedingungen verursachte Besiedelung mit verschiedensten Pilzen und Keimen dem Verfall preisgegeben war.
Am 26. September 1976 begann das Projekt, als die Mumie des Königs gegen Abend im Musée de l'Homme in Paris ankam, wo er, wie es einem Staatsoberhaupt geziemt, mit allen militärischen Ehren empfangen wurde.
Der Leichnam wurde in ein speziell für ihn eingerichtetes Labor verbracht, in dem ein an eine Alarmanlage gekoppeltes Klimakontrollgerät ständig eine Temperatur von 19,5°C und eine relative Luftfeuchtigkeit von 55-60% aufrecht erhielt.
Die Mumie wurde mit den verschiedensten Methoden untersucht, Proben wurden entnommen -allerdings nicht vom Körper selbst- und schließlich einer Bestrahlung mit Cobalt 60 unterzogen, um sie zu sterilisieren.
Der physische Zustand Ramses II zum Zeitpunkt seines Todes
Die radiologischen Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, das es sich bei Ramses um einen Greis handelt, der die 80 weit überschritten haben muss.
Er litt unter starker Arteriosklerose und rheumatischen Veränderungen besonders im Bereich der unteren LWS und des Beckens.
Die Röntgenaufnahmen des Schädels und der HWS zeigen große Zahnwurzelabszesse der hinteren Backenzähne sowie starke Parodontose und eine dadurch bedingte Auflösung der Knochenstrukturen.
Auffällig waren die wohl angeborenen Mißbildungen einiger Halswirbel (was Ramses aber keine Probleme bereitet haben dürfte), eine Spondylarthrose, die eine Versteifung des Nackens nach sich zog (Ramses war am Ende seines Lebens nicht mehr in der Lage, den Kopf zu heben) und eine post-mortem-Fraktur von C5/C6, was wahrscheinlich bei der Mumifikation des Toten passierte, als der nicht mehr flexible Kopf nach unten gedrückt wurde.
Röntgenaufnahmen des Thorax, der Schultern und der BWS zeigten eine leichte Arthrose des rechten Humeruskopfes, ansonsten keine arthrotischen Veränderungen der Gelenke der oberen Extremitäten, eine leichte Skoliose der oberen BWS, aber keinen Hinweis auf Osteoporose und keine inneren Organe.
Die Untersuchungen des Abdomens, der LWS und der Hüfte ergaben eine starke Spondylarthrose, eine beidseitige Hüftdysplasie und massive Sklerosen der Gefäße der unteren Extremitäten.
Wahrscheinlich hatte der arme Ramses aufgrund der schlechten Durchblutung seiner Beine ständig kalte Füße!
Weiterhin zeigten sich Spuren von Füllmaterial in den hinteren Dritteln des Schädels, in der Nase, die sich als Pfefferkörner herausstellten, im Thorax (ein längliches Gebilde aus Metall und ein birnenförmiges Objekt) und im rechten unteren Anteil des Abdomens.
Eine Endoskopie der Bauchhöhle zeigte ein Stück blauen Stoffes, der mit Goldfäden durchwirkt und an den Thoraxwänden (rechts!!) festgenäht ist und vermutlich (die Wissenschaftler sind sich hierbei ziemlich sicher) das Herz des Königs umhüllt.
Auffällig ist das Fehlen der äußeren Genitalien.
Die Analyse der Haare -man untersuchte nur bereits ausgefallene- bestätigte, daß Ramses tatsächlich rothaarig war, sich aber im Alter die ergrauten Schläfen färben ließ.
Als man seine Haare vorsichtig reinigte und bürstete, fielen sie wieder in die leichten rotglänzenden Locken, die man heute immer noch an der Mumie bewundern kann.
Außerdem fanden sich einige kurze (nicht länger als 0,5 cm) Bartspuren (Stoppeln) an den Mundwinkeln und wenige Haarinseln am Kinnrand, die Wangen sind komplett von den Barthaaren befreit, was die Vermutung nahelegt, daß sich Ramses II hat epilieren lassen.
Bemerkenswert sind auch die sorgfältig manikürten Fingernägel.
Die Bestimmung der Schädlinge, Pilze und Bakterien, die sich auf bzw. in der Mumie und an ihrem Sarkophag befanden, ergab 370 Kolonien 89 verschiedener Spezies, wobei die Aspergillusfamilie am stärksten vertreten war. Für den starken Befall der Mumie sind wahrscheinlich die durch Museumsbesucher eingeschleppten Keime und Sporen und die klimatischen Bedingungen (zu hohe Temperaturen und geringe Luftfeuchtigkeit), unter denen sie bislang aufbewahrt worden war, verantwortlich zu machen, die das explosionsartige Wachstum der Pilzkulturen auf und in der Mumie erst begünstigten.
Außerdem analysierte man die Pollen, Pflanzenfasern, Blätter und Saaten, die sich auf bzw. in der Mumie befanden: man entdeckte u.a. eine riesige Menge Pollen von Kamillenblüten, Linden- und Baumwollblüten, Ranunkeln, Salbei, Brennesseln, Gersten- und Weizenkörner, Flachsfasern, die von den Mumienbinden stammen könnten sowie feinzermahlene Blätter der wilden Tabakpflanze (Nicotiana L. sp.), von denen ein großer Teil als Insektengift (bzw. zur Desinfektion) eingesetzt wurde und somit Käfer, Larven u.ä. davon abhält, die Mumie zu zerstören. Dementsprechend fand man nur wenige Spuren von Insekten.
Erhalten sind auch noch einige Reste der Blüten und Blumengirlanden, die sich auf der Mumie befanden.
Sie bestanden im wesentlichen aus Mimusops schimperi Hochst, Nymphaea lotus Hook (weiße Blüten) und Nymphaea coerula Sav. (blauer Lotus).
Nach den Untersuchungen widmete man sich der Restauration und Reinigung der Mumie und des Sarkophages. Der Leichnam wurde wieder säuberlich in die gereinigten Binden und Leinentücher eingehüllt, in den reparierten Holzsarkophag gelegt und nach der Bestrahlung (s.o.) unter sterilen Bedigungen nach Kairo zurücktransportiert.
Vor einigen Jahren wurde dann einer meiner sehnlichsten Wünsche wahr.
Obwohl ich die Zurschaustellung toter Menschen von ganzem Herzen ablehne und mich das pure Grausen packt, wenn ich an die vielen pietätlosen Touristen denke, die über die Mumien der toten Herrscher lachen und ihre Witze machen, hat gerade das mir doch gleichzeitig ermöglicht, einen lang gehegten Traum zu verwirklichen:
ich durfte ihn sehen, meinen Helden, den ich seit meiner Kindheit liebe und verehre!
Ramses, den größten Pharao Ägyptens!
Welch ein Gefühl, IHM ins Angesicht blicken zu können!! Ich hatte vieles über ihn gelesen, mir unzählige seiner Darstellungen angesehen und seine Inschriften übersetzt...
Und da war er!! So real und greifbar! Ein echter Mensch aus Fleisch und Blut, der vor 3000 Jahren gelebt hat und immer noch existiert!!
Ein überwältigendes Erlebnis, das ich nicht in Worte fassen kann!!
Der Sohn des Re, Ramses, geliebt von Amun,
er lebe, sei heil und gesund in alle Ewigkeit!
Der König von Ober- und Unterägypten, Usermaatre Setepenre,
dem Leben gegeben werde wie Re!
|
|