Die Schlacht von Kadesch - Teil 2


Die Attacke der Hethiter
-geplanter Angriff oder unglücklicher Zufall ?

Aber als seine Majestät noch beim Gespräch mit den Offizieren zusammensaß, war der elende Feind von Hatti schon mit seiner Armee und seiner Streitwagentruppe gekommen, ebenso zahlreiche Fremdländer, die bei ihm waren. Sie überquerten die Furt südlich von Kadesch und brachen dann mitten in die Armee seiner Majestät ein, als sie noch marschierten und von nichts wussten. Die Armee seiner Majestät verzagte (die hier benutzte Vokabel kann auch 'mutlos oder ermattet sein' bedeuten) vor ihnen, als sie dabei waren, nach Norden zu ziehen, nämlich dahin, wo seine Majestät war. Dann umzingelte die Schar der Feinde aus Hatti die Gefolgsleute seiner Majestät, die an seiner Seite waren. (Bulletin)

Zum Vergleich den Text des Poem:
Aber er (der Hethiterkönig) veranlasste, daß Menschen und Gespanne kamen, so unzählig wie Sandkörner. Sie waren drei Mann auf einem Wagen und ausgerüstet mit allen Waffen zum Kampf. Siehe, er veranlasste, daß sie sich verbargen hinter der Stadt von Kadesch. Nun kamen sie von der südlichen Seite von Kadesch heraus und brachen mitten in die Division des Re ein, als sie marschierten und weder etwas ahnten noch bereit waren zum Kampf. Die Armee und Streiwagen seiner Majestät verzagten vor ihnen, nur seine Majestät hielt stand nördlich von Kadesch auf dem westlichen Ufer des Orontes. Dann kam man, um es seiner Majestät zu berichten und darauf erschien seine Majestät wie sein Vater Month...


Der Zusammenstoß mit der hethitischen Streitwagentruppe

Die Division des Re, die sich im Eilmarsch in Richtung auf das Lager ihres Pharaos und der Division Amun zubewegte, wurde, so scheint es auf den ersten Blick, aus dem Hinterhalt von der hethitischen Streitwagentruppe überfallen und aufgerieben.
Bei näherer Betrachtung kommt man jedoch zu dem Schluß, daß es sich weder dabei noch bei den folgendenden Ereignissen um geplante Aktionen gehandelt haben kann.

Muwatalli, der hethitische König, hatte sich wahrscheinlich schon von der Ankunft des Pharaos und der Division Amun von seinen Kundschaftern berichten lassen, aber weder die Stärke der ägyptischen Armee, deren Großteil sich ja noch im Anmarsch -aus südlicher sowie aus nordwestlicher Richtung- auf Kadesch befand, noch die genaue Lage des ägyptischen Camps waren ihm zum damaligen Zeitpunkt bekannt.


Aufbruch der hethitischen Streitwagentruppe
Ausschnitt aus einem Relief im Tempel Ramses II in Abydos

Um genau dies herauszufinden, schickte er einen relativ großen Trupp seines Streitwagenkontingents los, die südlich von Kadesch (wo weitere Furten vermutet wurden; auch die Verwendung von Bohlen, um den Streitwagen und Soldaten die Flußüberschreitung zu erleichtern, wird nicht ausgeschlossen) den Orontes überquerten, durch die Äcker der Landzunge von Kadesch in Richtung Süden vorstießen und dann nach Westen einschwenkten, wo sie auf die im Marsch befindlichen Ägypter stießen, die von der relativ dichten Vegetationslinie entlang des Mukadiyah und des Orontes (die sich an den Stellen, wo sich die Furten befinden, öffnet) vollkommen verborgen waren.
Die hethitischen Streitwagen, die gerade die Furt (des Mukadiyah) hinter sich gelassen hatten, mussten sofort beschleunigen, um den ihnen nachfolgenden Gespannen den Weg freizugeben, dabei 'brachen sie mitten in die Division des Re ein'. Da sie keinerlei Möglichkeit hatten auf dem relativ engen Terrain zu wenden (abgesehen davon waren die hethitschen Streitwagen wesentlich schwerfälliger und weniger wendig als die ägyptischen), blieb ihnen gar nichts anderes übrig, als sich den Weg durch die ägyptische Kolonne zu schlagen.


Ägyptische Soldaten in Marschformation
Reproduktion nach einer thebanischen Grabmalerei

Die Ägypter ergriffen ihn einer Art verzweifelter Gegenwehr ob des vermeintlichen hethitischen Angriffs ihre Waffen, verfielen aber den Berichten zufolge in Panik und versuchten -zumindest teilweise- zu flüchten. Die versprengten Teile der Division des Re, insbesondere die unbeteiligt gebliebene Spitze der Kolonne, sollte aber dennoch im Laufe des Tages das ägyptische Lager erreichen.

Die Hethiter wandten sich nun nach Nordosten und näherten sich, einen Bogen schlagend, vom Westen her dem Lager des Pharaos.

Dieses Ereignis wirft nun einige Fragen auf:
Wenn die ganze Aktion nun ein geplanter Schachzug des Hethiterkönigs gewesen war, worin liegt dessen Sinn und Zweck?
Die ägyptische Armee (oder zumindest die Division des Re) mit einigen wenigen Streitwagen -laut ägyptischen Berichten soll es sich um 2500 Wagen gehandelt haben- zu schwächen oder gar zu zerstören? Wenn ja, warum ist es ihnen dann nicht gelungen? Warum haben die Hethiter ihren durch den Überraschungseffekt entstandenen Vorteil nicht zu nutzen gewusst?
Vieles spricht dafür, daß die Hethiter gar nicht den Auftrag hatten, die Ägypter überhaupt anzugreifen:

1. Das Protokoll
Was uns als gelungene Kriegslist erscheint, nämlich der hethitische Überraschungsangriff, wurde während der Antike als ein nicht legitimer Akt betrachtet, eine Sünde oder Frevel, der den Zorn der Götter heraufbeschwören konnte.
Man verabredete sich zum Kampf; Boten und Diplomaten wurden zwischen den verfeindeten Königreichen hin- und hergeschickt, um die Formalitäten sowie Datum und Ort der auszutragenden Schlacht zu bestimmen. Die lange Zeit, die dieses Procedere in Anspruch nahm, wurde genutzt, um mobil zu machen und das Heer auszurüsten.
Heute, im Zeitalter der modernen Telekommunikation, gerät dieses Faktum nur zu leicht in Vergessenheit.
Kam man dann zum verabredeten Zeitpunkt am Ort des Geschehens an, so wurde erst das Lager aufgeschlagen und sich von der Anstrengung des oftmals langen Fußmarsches erholt, erneut Boten ausgetauscht und erst in gegenseitigem Einverständnis der Kampf begonnen.
Zeugnisse aus dem hethitischen Staatsarchiv beweisen, daß gerade die Hethiter dieses Protokoll peinlichst genau beachteten.

2. Die Größe der von Muwatalli losgeschickten Truppe
Wie wir wissen, war das hethitische Heer doppelt so groß wie das ägyptische: ca. 40.000 Mann.
Muwatalli, ein erfahrener Kriegsherr, konnte sich denken, daß Ramses eine ebenbürtige Armee aufgestellt hatte, warum schickte er also nur 2.500 Streitwagen (wenn es überhaupt soviele waren) gegen eine Armee, die, wie er annehmen musste, eben so stark war wie seine eigene?
Wahrscheinlich waren es eher weniger als 2.500 Streitwagen, allein diese Masse hätte fast einen ganzen Tag gebraucht, um den Orontes zu überqueren.
Falls man eine Minute (was ziemlich wenig ist) für einen Streitwagen einkalkuliert, um über eine Furt zu gelangen und zwei gleichzeitig dieses Unternehmen versuchen, so kommt man bei einer Anzahl von 2.500 Wagen auf fast genau 21 Stunden; rechnet man mit vier Wagen, dann immerhin noch auf ca. 10,5 Stunden, zu lange für einen Überraschungsangriff.
Es bleibt also gar nichts anderes übrig, als mit einer wesentlich geringeren Anzahl Streitwagen zu rechnen. Dennoch handelte es sich hierbei um einen relativ großen Spähtrupp der Hethiter, der aber mit großer Wahrscheinlichkeit maximal 500 Mann zählte.

3. Das Überleben der Division des Re
Die Zerstörung der ägyptischen Division war augenscheinlich nicht das Ziel der Hethiter:
die Ordnung der Marschkolonne wurde zwar aufgelöst, der größte Teil der Soldaten erreichte dennoch das Hauptlager, um ihren Pharao im Kampf zu unterstützen.

4. Warum griffen die Hethiter das Lager der Division Amun an?
Militärhistoriker vermuten, daß der hethitische Streitwagentrupp gar nicht den Auftrag hatte, daß Lager direkt anzugreifen, sondern erst einmal dessen genauen Standpunkt ausfindig zu machen.
Viele Meinungen zielen dahin, daß die Hethiter quasi in einer Art Adrenalinrausch, den der Zusammenprall mit der Division des Re ausgelöst hatte, sich nach Norden wandten, wo sie auf der flachen Ebene das Hauptlager des Pharaos ausgemacht hatten.
Möglich wäre aber auch, daß sie schlicht und einfach von der Aussicht auf leichte Beute getrieben waren und beabsichtigten das Lager zu plündern und den Pharao gefangen zu nehmen, da ihnen durch das vorangegangene Gefecht klar war, daß die ägyptische Armee noch nicht konsolidiert und somit nicht voll einsatzfähig war.
Wie schon oben bemerkt, konnte die Vernichtung der ägyptischen Armee nicht der Beweggrund Muwatallis gewesen sein, diese Einheit zu entsenden, da deren Kampfkraft für diesen Auftrag nicht ausgereicht hätte.



Die ägyptische Reaktion

Als die heranpreschenden hethitischen Streitwagen bemerkt wurden, die sich der Westseite des ägyptischen Lagers näherten, alarmierte man augenblicklich den Pharao. Möglicherweise waren aber schon die ersten Angehörigen der Division Re eingetroffen, jedenfalls stießen die nun angreifenden Hethiter auf heftige Gegenwehr.
Ramses ließ die Situation folgendermaßen schildern:

Er legte den Kampfschmuck und seine Rüstung an, er war wie Baal in seiner Stunde. Das große Gespann, das unter seiner Majestät war, stammte -Sieg-in-Theben war sein Name- aus dem großen Stall von Usermaatre Setepenre, geliebt von Amun. Seine Majestät war der Erste, der losgaloppierte. Er stürmte mitten in die Schar der Feinde, als er ganz allein und kein anderer bei ihm war. (Poem)


Ramses II greift an
Reproduktion eines Reliefs im Ramesseum

Augenfällig ist bei den nun folgenden Berichten Ramses II, daß er immer wieder betont, daß 'er ganz allein und kein anderer bei ihm war'. Die Illustrationen zu dem nun folgenden Kampf zeigt uns aber eine ganz andere Situation:
Nicht nur der Pharao, sondern auch der Großteil der ägyptischen Streitwagen hatte so schnell wie möglich mobil gemacht. Während die Infanterie die Westseite des ägyptischen Lagers gegen die Hethiter verteidigte, fielen die Ägypter, die ihr Lager nur an dessen Ostseite verlassen konnten, in deren linke Flanke ein und schafften es tatsächlich, die Hethiter abzuwehren.
Der Vorteil lag hierbei klar auf Seiten Ramses und seiner Männer:
Die Hethiter sahen sich nun von den ägyptischen Truppen, die außerdem in der Überzahl war, in die Zange genommen. Ein weiterer wesentlicher Nachteil für die Hethiter lag in der Schwerfälligkeit ihrer nun in dem entstandenen Getümmel fast unmanövrierbar gewordenen Streitwagen. Ihnen blieb nicht anderes übrig, als sich so schnell wie möglich zurückzuziehen, verfolgt von den ägyptischen Streitwagen mit Ramses an der Spitze.
Um dazu Militärhistoriker der Sandhurst Royal Military Academy zu zitieren:
'The excessive embellishment discernible in the accounts cannot deny the remarkable leadership displayed by Pharaoh for in a very real sense it was the personal bravery of Rameses that saved the day for the Egyptians'.

In diese Phase der Schlacht fällt auch das berühmt gewordene Gebet Ramses II an Amun, das offensichtlich erhört wurde:
Ich fand, daß Amun kam, als ich nach ihm rief und mir seine Hand reichte. Er rief mir nach, als wäre es von Gesicht zu Gesicht: 'Vorwärts!'
Ich bin bei Dir und meine Hand mit Dir! Ich bin nützlicher als Hunderttausende, ich bin der Herr des Sieges, der die Tapferkeit liebt!'
Ich (Ramses) fand mein Herz dick, meine Brust froh und alles, was ich tat, gelang, denn ich war wie Month!


Der ägyptische Konterschlag
1: die das Lager verteidigende Infanterie - 2: die eintreffende Division Re

Muwatalli, der mit Sicherheit von dem Desaster, in das sein Spähtrupp geraten war, gehört oder dieses sogar mitverfolgt hatte, rief nun seine bei ihm verbliebenen Truppen zusammen, um das ägyptische Lager auf dessen Ostseite anzugreifen. Diese ad hoc Armee überquerte nun 2 km nördlich von Kadesch den Orontes, unter ihnen viele Angehörige des hethitischen Königshauses sowie andere hochrangige Persönlichkeiten, hohe Offiziere und die Herrscher seiner Vasallenstaaten, die eigentlich gar nicht am Kampf beteiligt sein sollten.


Das hethitische Ablenkungsmanöver

Der Zweck dieses Manövers seitens des Hethiterkönigs lag offenbar darin, Ramses und dessen Gefolgsleute zu bewegen, von seinen kostbaren Streitwagen und deren Besatzung abzulassen, von denen die Ägypter mittlerweile einen Großteil zerstört bzw. getötet haben dürften.
Den Ägyptern war es mittlerweile gelungen, die erste Angriffswelle der Hethiter zurückzudrängen, sah sich aber nun erneut mit dem Gegner konfrontiert, der nun das Lager der Division Amun von Osten her attackierte.
Fast gleichzeitig trafen nun zwei neue Truppenverbände des Pharaos ein:
zum einen die Na'aruna, die bislang in Amurru stationiert waren und wenig später die Division des Ptah.

Die Ankunft der Na'aruna brachte nun den entscheidenden Vorteil für die Ägypter:
Gemeinsam mit den zusammengezogenen Resten der schon angeschlagenen Divisionen Amun und Re und deren Streitwagenabteilungen trieben diese unter der Führung des Pharaos die angreifenden Hethiter zurück und jagten sie in den Orontes. Einige Familienmitglieder Muwatallis ließen dabei ihr Leben, auch der König von Aleppo wäre beinahe ertrunken, hätten ihn nicht ein paar freundliche Gefolgsleute 'auf den Kopf gestellt, um ihn zu entleeren' (so die ägyptischen Quellen):

       
Mitten im Bild zu erkennen:
Der Fürst von Aleppo, der -mit dem Kopf nach unten- an den Beinen festgehalten wird

Eine weitere außergewöhnliche Quelle dazu ist die lange Liste der mit Namen bekannten hethitischen Opfer (die sich im Ramesseum befindet), unter ihnen eine große Zahl der hochrangigsten und prominentesten Persönlichkeiten des hethitischen Hofes, was unter Militärexperten die Frage aufwarf, warum Muwatalli gezwungen war, eben jene Personen und nicht seine Infanterie in den Kampf mit den Ägyptern zu schicken. Man kam dabei zu dem Schluß, daß diese, entgegen der Behauptung der vom Hethiterkönig ausgeschickten Spione, wahrscheinlich noch gar nicht an Ort und Stelle war. Muwatalli musste also jeden verfügbaren Mann, u.a. mit großer Wahrscheinlichkeit auch seine Leibgarde, in die Schlacht schicken, ein Verzweiflungsakt, um die drohende Vernichtung eines Großteils seiner Streitwagen abzuwenden.

Wäre Muwatallis Armee wirklich so stark gewesen, wie gemeinhin behauptet wird, und hätte sie sich in Befehlsreichweite des hethitischen Königs befunden, wäre es ihm ein Leichtes gewesen, die ihm zahlenmäßig weit unterlegenen Ägypter zu schlagen.
Dies ist jedoch nicht geschehen.


Die vor den Ägyptern fliehenden und in die Wasser stürzenden Hethiter
Reproduktion eines Reliefs im Ramesseum
Bitte auf das Bild klicken, um es zu vergrößern!


Der Tag danach

Der Tag nach der Schlacht, als man beidseits die Verluste an Mann und Material realisiert hatte, traf ein Friedensgesuch des Hethiterkönigs im Lager des Pharao ein:
Daraufhin veranlasste er (Muwatalli), daß sein Bote kam, der einen Brief in seiner Hand trug, gerichtet an den großen Namen meiner Majestät, Grüße überbringend an die Majestät der Residenz von Re-Harachte, Starker Stier, Geliebter der Maat, ein Herrscher, der seine Armee schützt, stark aufgrund seines Schwertarmes, die Mauer für seine Soldaten am Tag des Kampfes, der König von Ober- und Unterägypten, Usermaatre Setepenre, Sohn des Re, der Löwe, Herr des Schwertarmes, Ramses, geliebt von Amun, beschenkt mit Leben ewiglich! Der Diener da spricht und dadurch lässt er wissen: 'Du bist der Sohn des Re, der aus seinem Leib hervorkam. Er gab Dir alle Länder vereint an einem Ort. Was das Land von Ägypten und das Land von Hatti angeht: sie gehören Dir!
Deine Diener, sie befinden sich unter Deinen Füßen, denn Re, Dein edler Vater hat veranlasst, daß sie Dir gehören!
Beherrsche uns nicht, siehe, Deine Macht ist groß!
Deine Stärke lastet schwer auf dem Land von Hatti!
Ist denn das Töten Deiner Diener gut und daß Dein Gesicht ihnen gegenüber grimmig ist und ohne Freundlichkeit?
Siehe, gestern hast Du Hunderttausende getötet. Du bist an dem Tag gekommen und hast keinen Erben übrig gelassen! Erledige Deine Aufgaben nicht so tüchtig, starker König!
Besser als Krieg ist der Frieden! Gib uns Atem!'


Daraufhin ließ Ramses seinen Offiziersstab antreten, um sich mit ihnen zu beraten, wobei man sich darauf einigte, den Waffenstillstand, den Muwatalli anbot, zu akzeptieren.
Beide Parteien zogen sich nun 'in Frieden' zurück.

Es kann keine Rede davon sein, daß Ramses den Sieg in Kadesch für sich beanspruchte.
Die in der Überschrift oder Einleitung benutzte Formulierung 'Zweiter siegreicher Feldzug' oder 'Bericht des Sieges...' ist vielmehr als Floskel zu sehen denn als wortwörtlich zu nehmende Tatsache.
Fakt ist, daß nirgendswo in den ägyptischen Quellen behauptet wird, daß Ramses den Sieg über die Hethiter errungen oder Kadesch eingenommen hätte.
Leider verbreiten die meisten Berichte über die Kadeschschlacht, die oft nur auf Sekundärquellen beruhen, die wiederum kritiklos und ohne die dort aufgestellten Behauptungen zu überprüfen, voneinander abschreiben, immer wieder die Mär, daß Ramses den Sieg über die Hethiter für sich beanspruchte, obwohl er in Schmach und Schande vom Kriegsschauplatz abziehen musste. Dieses ist jedoch bei genauer Betrachtungsweise der Abläufe der Ereignisse -insbesondere des nicht zu unterschätzenden Zeitfaktors-, der Berücksichtigung der geographischen Besonderheiten des Schlachtfeldes und der tatsächlichen Truppenstärke beider Parteien nicht zu halten.

Fazit:
Die Schlacht von Kadesch ist weder für die eine noch die andere Seite siegreich verlaufen:
Sie endete mit einem militärischen Patt!

Vermutung:
Das von uns lapidar als 'Schlacht von Kadesch' bezeichnete Ereignis hätte in Wirklichkeit, wenn die Dinge so abgelaufen wären, wie sie geplant waren, gar nicht stattgefunden.
Es beruhte auf einer Verkettung unglücklicher Umstände und spontaner Aktionen, ausgelöst durch den Zusammenstoß des hethitischen Spähtrupps mit der Division des Re und dessen Attacke gegen das ägyptische Lager.
Darüberhinaus ist festzustellen, daß die Schlacht von Kadesch keineswegs nach den damals üblichen Gepflogenheiten der Kriegsführung abgelaufen ist.
Die üblichen Absprachen zwischen den opponierenden Heerführern über Ort und Zeit der Schlacht sowie das vorangegangene Sammeln und Rasten der Armeen zur Vorbereitung auf den Kampf hat in diesem Fall nicht stattgefunden. Diese Sitte berücksichtigend wäre es sehr verwunderlich, wenn die Schlacht von Kadesch seitens Ramses II oder Muwatalli anders geplant gewesen wäre als damals gemeinhin üblich. Dem einen oder anderen einen Bruch der allgemein anerkannten Form vorzuwerfen, wäre angesichts der Fakten weithergeholt.
Militärhistorisch ist es daher immer erforderlich einen Feldzug im Gesamtzusammenhang zu analysieren und nicht einzelne Begebenheiten aus dem Kontext herauszureißen, um wage Theorien aufzustellen.