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Die Schlacht von Kadesch - Teil 1
Aufgrund der Fülle der Ereignisse, der neuen Erkenntnisse und der Zitate aus den ägyptischen Originalquellen zur Schlacht von Kadesch ist dieser Artikel länger geworden, als ich beabsichtigte. Um dieses Kapitel übersichtlicher zu halten, gibt es zwei Teile, von denen sich der erste den Ereignissen vor und der zweite dem Geschehen während und nach der Schlacht von Kadesch widmet.
Stand August 2001
Beginn der Erzählung des Sieges
des Königs von Ober- und Unterägypten, Usermaatre Setepenre,
Sohn des Re, Ramses, geliebt von Amun, beschenkt mit Leben ewiglich,
den er erlangte im Land von Hatti...
Beginn des Poem oder Gedicht genannten literarischen Berichtes Ramses II über die Schlacht von Kadesch
Der Aufbruch
Nun rüstete seine Majestät seine Armee und seine Wagenkämpfer aus, die Scherden von der Kriegsbeute seiner Majestät, die er mitgebracht hatte durch den Sieg seiner Stärke, ausgerüstet mit all ihren Waffen. Der Befehl zum Kampf war ihnen gegeben worden.
Seine Majestät zog nordwärts während seine Armee und seine Wagenkämpfer bei ihm waren.
Er begann einen guten Weg zu marschieren im Jahr 5, zweiter Monat des Sommers, Tag 9, zu dem Land der elenden Hethiter in seinem zweiten siegreichen Feldzug.
Seine Majestät passierte die Festung von Tjaru (Sile), er war wie Month bei seinem Auszug.
Alle Fremdländer zitterten vor ihm und ihre Häuptlinge brachten Tribute, die Rebellen kamen in Verbeugung aus Angst vor der Macht seiner Majestät.
Seine Armee durchschritt die Engpässe so, als wären es die Straßen Ägyptens.
Dann, als einige Tage auf diese Weise vorüber gegangen waren, war seine Majestät nun in Ramses-Meriamun, der Stadt, die im Tal der Zedern ist.
Seine Majestät zog weiter nach Norden und erreichte dann das Hügelland von Kadesch.
Soweit die Worte Ramses II zu dem Marsch der ägyptischen Armee nach Norden - zitiert nach dem Poem
Ich bitte um Entschuldigung, wenn sich meine Übersetzung etwas holprig anhören sollte, aber ich habe versucht, so nahe wie möglich an den Originaltexten zu bleiben.
Ramses II verließ im zweiten Monat der Sommerjahreszeit (April) seines fünften Regierungsjahr Pi-Ramesse und zog mit seinem ca. 20.000 Mann starken Heer Richtung Norden.
Die Route, die er einschlug, ist nicht genau zu rekonstruieren, denn die erwähnte Stadt Ramses-Meriamun im Tal der Zedern konnte bislang noch nicht eindeutig identifiziert werden. Man vermutet, daß es sich dabei um die Stadt Kumidi, Verwaltungssitz der ägyptischen Provinz Upe (Gebiet von Damaskus) handeln könnte, die aber ansonsten den Namen Ramses-Meriamun, die Stadt, die in Upe ist trägt.
Ramses' Armee bestand aus vier Divisionen, die nach den vier Hauptgöttern der Ramessiden benannt waren: Amun, Re (eigentlich pa Ra), Ptah und Seth.
Wahrscheinlich marschierten die Soldaten jeweils unter der Standarte ihres Lokalgottes, d.h. die der Division Amun stammten aus der Thebais, die Angehörigen der Division Re aus der Region von Heliopolis, die der Ptah-Division aus dem memphitischen Raum und die der Seth-Division aus dem Delta bzw. Pi-Ramesse.
Eine Division bestand aus 5000 Mann inklusive der Streitwagen, die im ägyptischen Heer keine eigenständige Truppe bildeten, sondern der Infanterie angegliedert waren.
Lasttiere und Ochsenkarren, die mit dem notwendigen Proviant, Zelten und Waffen beladen waren, bildeten das Ende des Trosses, zu dem u.a. auch Mitglieder der Königsfamilie, wie z.B. die ältesten Söhne des Pharaos und seine Minister zählten.
Der Schauplatz
Das Ziel beider Parteien war der Stadtstaat von Kadesch, eine Siedlung, die schon während des Neolithikums auf einer Landzunge errichtet wurde, die der Orontes und ein kleinerer Seitenfluß, al-Mukadiyah, bilden.
Eine Karte der Umgebung von Kadesch finden Sie HIER!
Die Stadt Kadesch - Relief aus Abu Simbel
Die Stadt lag auf einem Hügel, dem heutigen Tell Nebi-Mend, der die südliche Ebene der Senke von Homs beherrscht.
Durch ihre Lage und Befestigung war sie quasi uneinnehmbar:
Wie die ägyptischen Darstellungen zeigen, hatten die Bewohner ihre Stadt nicht nur mit einer hohen Mauer und Zinnen gesichert -schon im frühen zweiten Jahrtausend besaß Kadesch ein doppeltes Kasemattensystem von 10 m Stärke-, sondern hatten anscheinend auch einen Kanal (oder sogar zwei Kanäle?) angelegt, der den Orontes mit el-Mukadiyah verband und so ihre Stadt zu einer Insel machte.
Die südlich von Tell Nebi-Mend ost-westlich verlaufenden Dellen im Bodenniveau könnten dies bestätigen: wahrscheinlich handelt es sich hierbei um die Reste des Kanals (bzw. der Kanäle).
Tell Nebi-Mend
der Siedlungshügel von Südosten aus gesehen - im Vordergrund der Orontes
Blick, den die im Nordosten lagernden Hethiter auf Kadesch hatten
Die Kontrolle über das Stadtgebiet von Kadesch war deshalb so wichtig, weil sich hier die zur damaligen Zeit wichtigsten binnenländischen Handelsrouten und Verkehrswege kreuzten:
die Verbindung vom Süden (Ägypten) nach Nordsyrien und Kleinasien und die von der Eleutherosmündung über den Paß des Wadi Halid ins syrische Hinterland und über Palmyra zum Euphrat führende Route.
Der Tag vor der Schlacht
Jahr 5, dritter Monat des Sommers, Tag 9 unter der Majestät von Re-Harachte, dem Starken Stier, geliebt von Maat, dem König von Ober- und Unterägypten, Usermaatre Setepenre, dem Sohn des Re, Ramses, geliebt von Amun, beschenkt mit Leben ewiglich
Nun war seine Majestät in Djahy (Palästina) in seinem zweiten siegreichen Feldzug (unterwegs). Ein gutes Erwachen in Leben, Heil und Gesundheit im Zelt seiner Majestät im Hügelland südlich von Kadesch. Danach, zur Zeit des Morgengrauens das Erscheinen seiner Majestät wie das Aufgehen des Re (am Himmel), legte er den Schmuck seines Vaters Month an.
Der Herr zog nordwärts und seine Majestät gelangt in die Gegend südlich der Stadt Schabtuna. Da kamen zwei Schasu von den Schasustämmen und sagten zu seiner Majestät:
'Unsere Brüder, die die Anführer der Stämme sind, befinden sich beim hethitischen Feind und haben veranlasst, daß wir zu seiner Majestät kommen um zu sagen, daß wir Diener des Pharaos werden und uns von dem Hethiter (wortwörtlich heißt es Gefallener aus Hatti) lossagen.' Da sprach seine Majestät zu ihnen: 'Wo sind sie denn, Eure Brüder, die euch kommen ließen, um seiner Majestät diese Sache zu erklären?'
Sie antworteten seiner Majestät: 'Sie sind da, wo der elende Fürst von Hatti ist, denn der hethitische Feind befindet sich im Land von Aleppo im Norden von Tunip. Er fürchtet sich so sehr vor seiner Majestät, um nach Süden zu kommen, als er hörte, daß der Pharao nach Norden gekommen war.' Nun sprachen aber die beiden Schasu diese Worte, die sie zu seiner Majestät sagten, als Lüge. Es war nämlich der Fürst von Hatti, der sie veranlasst hatte zu kommen, um auszuspionieren, wo seine Majestät war.
....Die zwei Schasu wurden in der Gegenwart (des Pharaos) zum Reden aufgefordert.
Die Befragung der Spione-Relief in Abu Simbel
Seine Majestät zog nach Norden und erreichte den Nordwesten von Kadesch. Das Lager der Armee seiner Majestät wurde dort aufgeschlagen. Seine Majestät machte es sich bequem auf einem Thron aus Gold nördlich von Kadesch auf dem Westufer des Orontes, als ein Kundschafter, der zum Gefolge seiner Majestät gehörte, mit zwei Kundschaftern des Feindes von Hatti ankam, die vor den Pharao geschleppt wurden.
Seine Majestät fragte sie: ' Was seid ihr?'
Sie antworteten: 'Wir gehören zum Fürsten von Hatti. Er veranlasste uns zu kommen, um herauszufinden, wo seine Majestät ist.'
Da sagte seine Majestät zu ihnen: 'Wo ist er denn, er, der Feind von Hatti? Seht, ich hörte, daß er im Land von Aleppo nördlich von Tunip ist!'
Sie sprachen zu seiner Majestät: 'Schau! Der elende Fürst von Hatti ist schon gekommen, zusammen mit vielen Fremdländern, die bei ihm sind, die er zu seiner Verstärkung mit sich brachte. ... Sie sind ausgestattet mit ihrer Armee und ihrer Streitwagentruppe und ihrer Bewaffnung. Sie sind mehr als die Sandkörner des Ufers. Siehe, sie stehen ausgerüstet und bereit zum Kampf hinter Kadesch-Ta-Iset'
Ramses erfährt von der List des Hethiterkönigs - Abu Simbel
Soweit der Text des Bulletin oder Report genannten Kurzberichtes über die Ereignisse vor dem Angriff der Hethiter
Einmal bitte HIER klicken, um nochmals auf die Karte zu gucken!
Genau einen Monat nach seinem Aufbruch hatte Ramses also die Gegend von Kadesch erreicht, wo er auf seinen Gegner, Muwatalli von Hatti, treffen sollte. Die Nacht auf den neunten Tag des dritten Sommermonates hatte die Division in ihrem Biwak verbracht, das sie auf dem Qamu'at el-Hermel aufgeschlagen hatte. Der Qamu'at el-Hermel ist eine über 700 m hohe kegelförmige Erhebung, von der aus man den südlichen Teil der Ebene von Kadesch gut im Blick hatte und so genau erkennen konnte, wer oder was sich dem Lager des Pharao näherte.
Das Ziel der Kampagne, die Stadt Kadesch, lag hingegen noch ca. einen Tagesmarsch (was unter den damaligen Verhältnissen ca. 20-30 km entspricht) von diesem Punkt entfernt.
Nach Sonnenaufgang brach die Division des Amun mit dem Pharao und seinem Gefolge auf, um in Richtung Kadesch loszumarschieren, dabei mussten sie den Fluß Orontes überqueren, ein äußerst langwieriges und schwieriges Unterfangen.
Die Furt, die von der ägyptischen Armee benutzt wurde, ist nicht eindeutig identifiziert, im allgemeinen wird angenommen, daß es sich um die Furt südlich der Stadt Schabtuna gehandelt haben muß, die ca. 15 km vom Nachtlager Ramses II entfernt war. In den ägyptischen Texten heißt es dazu lapidar: Er (d.h. Ramses) setzte über die Furt des Orontes mit seiner ersten Division 'Amun möge Usermaatre Setepenre den Sieg verleihen'.
Die Lage der Furt wie die der übrigen Furten des Orontes hat sich mit großer Sicherheit im Laufe der Zeit nicht verändert: der Orontes besitzt ein Bett aus solidem Kalkgestein, zudem ist seine Fließgeschwindigkeit nicht besonders hoch, so daß man größere Abschwemmungen ausschließen kann.
Ein älteres Foto der Furt von Schabtuna
Ein Ochsenkarren versucht den Orontes zu überqueren
Die Tiere stehen bis zum Bauch im Wasser!
Das, was die ägyptischen, aber auch die späteren Sekundärquellen verharmlosend darstellen, nämlich die Überschreitung des ca. 12m breiten Flusses durch eine Heeresabteilung von 5000 Mann -das private Gefolge Ramses II und der Troß mit der Verpflegung und Bewaffnung nicht mit eingerechnet- war ein sehr zeitraubendes Unternehmen, wie man heute noch sehen kann.
In der Tat wird die ganze Aktion die Division Amun wohl mehrere Stunden gekostet haben.
Südlich der Stadt Schabtuna nahmen dann die Kundschafter die zwei hethitischen Spione fest, die mit ihrer Meldung, der Gegner läge noch weit entfernt in Nordsyrien und hätte nicht den Mut nach Kadesch zu kommen, den Pharao an der Nase herumführten.
Unbeirrt, die ägyptischen Texte lassen uns leider im Unklaren über folgenden Konsequenzen, marschiert Ramses nun weiter.
Ob er nun seine eigenen Kundschafter vorausschickt, um die Behauptung der hethitischen Spione zu überprüfen oder nicht, sei dahingestellt, ist aber wahrscheinlich.
Unbehelligt erreichte man das Gebiet nordwestlich von Kadesch, wo die Ägypter ihr Lager aufschlugen.
Wenn man die Entfernungen und Unterbrechungen einkalkuliert, die die Ägypter einiges an Zeit gekostet haben, so ist es wahrscheinlich, daß Ramses mit seiner ersten Division erst am späten Nachmittag an dem vorgesehenen Punkt für ihr Biwak ankamen. Sie hatten einen Marsch von knapp 30 km (einen ganzen Tagesmarsch) hinter sich gebracht inklusive einer langwierigen Flußüberquerung und einer zusätzlichen, nicht eingeplanten, Unterbrechung durch die zwei vom Hethiterkönig ausgeschickten Spione.
Das Lager der Division Amun nordwestlich der Stadt Kadesch
Nach dem Relief auf der Fassade des ersten Pylons vom Tempel von Luxor
In der Mitte das Zelt des Pharao und dem Schrein des Amun
rechts daneben der zahme Löwe Ramses II namens 'Schlächter seiner Feinde'
Man beachte den Schildwall um das Lager!
Kurz nach Errichtung des Lagers, als Ramses es sich gerade bequem gemacht hatte, brachte einer seiner eigenen Kundschafter erneut zwei Spione des Hethiterkönigs zu ihm, die ihm berichteten, der hethitische König stehe mit einem großen Heer und vielen Verbündeten zum Kampf bereit hinter Kadesch, genauer gesagt bei Kadesch-Ta-Iset, gemeinhin mit Alt-Kadesch übersetzt (von dem ägyptischen Adjektiv js = alt, schon gebraucht, schon lange existierend WB I, 128) und bislang leider nicht lokalisiert.
Ob des Versagens seines eigenen Geheimdienstes erzürnt -jedenfalls lässt der Ton der ägyptischen Quellen daraus schließen- ließ Ramses seinen Offiziersstab zusammenkommen und noch am selben Tag, d.h. am frühen Abend oder vielleicht sogar schon bei Einbruch der Nacht, einen seiner Wesire losschicken, um die restlichen Divisionen, die sich noch in Anmarsch auf Kadesch befanden bzw. wahrscheinlich auch schon ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten, zur Eile anzutreiben.
Anscheinend marschierten die anderen drei ägyptischen Divisionen jeweils in einem Abstand von einem Iter (ca. 10,5 km) hintereinander her, was ca. einen halben Tagesmarsch ausmachte, d.h. eine ziemlich große Entfernung.
Die ägyptischen Quellen sind bei der Schilderung der nun folgenden Ereignisse leider sehr unpräzise. Wann genau der Wesir bei der zweiten Division Re eintraf, um ihnen die Lage und die Gefahr, in der sich ihr König befand, zu schildern, ist nicht aus den Texten ersehbar:
Dann wurde dem Wesir der Befehl erteilt, die Armee seiner Majestät zu eilen, als sie auf einer Straße südlich der Stadt Schabtuna marschierten, um sie dorthin zu bringen, wo seine Majestät war. Als seine Majestät noch beim Gespräch mit den Offizieren zusammensaß, war der elende Feind von Hatti schon mit seiner Armee und seinen Streitwagen gekommen. (laut dem Bulletin)
Wahrscheinlich traf der Wesir frühmorgens im Camp von Re ein, vielleicht auch noch später, als sie schon längst den Orontes überquert hatten. Der neunte Tag des dritten Sommermonats neigte sich ja schon seinem Ende zu, als Ramses von der List des Hethiterkönigs erfuhr und nach der Standpauke, die Ramses seinen Offizieren und Kundschaftern gehalten hatte, und einer Beratung des Stabes wurde erst der Wesir losgeschickt, um den Rest der Armee vom Stand der Dinge in Kenntnis zu setzen.
Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß Re kurz nach Abbruch ihres Nachtlagers bzw. als sie gerade losmarschiert waren, von der prekären Situation ihres Herrn erfuhren:
Die Armee des Re überquerte die Furt in der Nachbarschaft südlich der Stadt Schabtuna, in einer Entfernung von einem Iter, von da wo seine Majestät war. Die Armee des Ptah war im Süden der Stadt Aranama (hatte also gerade erst den Orontes überquert) und die Armee des Seth marschierte die Straße entlang. (laut dem Poem)
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