Die Große Königliche Gemahlin Nefertari

Name der Nefertari
Titel: Jr.jt-pa.t, Königsgemahlin, Große Königliche Gemahlin, Herrin der beiden Länder, Herrscherin von Ober- und Unterägypten, Herrscherin über alle Länder, Gottesgemahlin
 

 

Nefertaris Herkunft liegt im Dunkeln, weder die Namen ihrer Eltern noch ihre Heimatstadt sind bekannt.
Der Fund eines Knaufes mit dem Namen Ejes in ihrem Grab könnte auf eine verwandschaftliche Beziehung zum Königshaus der 18. Dynastie hinweisen, aber auch durch Zufall in ihr Grab gelangt sein. Viel eher scheint ihr Beiname Merit-en-Mut, Geliebte der Göttin Mut (der Gemahlin des Amun von Karnak), auf ihre thebanische Herkunft zu verweisen, könnte jedoch ebenfalls als Parallelbildung zu dem Namenszusatz ihres Gatten, der Meri-Amun (Geliebter des Amun) lautete, aufgefasst werden. Den Namen erhielt die Königin demnach ebenso wie der König seine Titulatur erst bei dessen Thronbesteigung.

 
Karneolring mit den Kartuschen des Herrscherpaares
Karneolring
Louvre, H 2,35 cm
B 2,13 cm, L. : 1,30 cm

 
  Titel der Nefertari
Jr.jt-pa.t, groß an Lob
Große Königliche Gemahlin
Herrin der beiden Länder
Nefertari Merit-en-Mut
 

Wenn man nun bedenkt, daß diese Titulatur das politische bzw. religiöse Programm eines Herrschers ausdrücken sollte, so ist dies bei der Namensgebung der ersten GKG Ramses II. ebenfalls anzunehmen: Eine Nefertari (Ahmes-Nefertari, die Mutter Amenophis I.) war die Stammutter der 18. Dynastie und wurde zusammen mit ihrem Sohn als Schutz- und Orakelgottheit im thebanischen Raum verehrt. Mag sein, daß auch Nefertari die Rolle einer Stammutter in dieser noch recht jungen Dynastie übernehmen sollte. Die Beinamen des Herrscherpaares unterstellten diese zusätzlich dem Schutz des göttlichen Paares von Theben und ebenso wie diese als Reichsgötter an der Spitze des ägyptischen Pantheons standen, so herrschten Ramses und Nefertari als deren irdische Vertreter über das Land Ägypten.
Die enge Verbindung zu Theben und Amun-Ra, dem König der Götter, scheint sich auch in den Namen ihrer Kinder niederzuschlagen: der Erstgeborene des Königspaares wird Amunherwenemef (Amun ist bei seiner Rechten) genannt, was später in Amunherchepeschef (Amun ist bei seinem Schwertarm) umgeändert wird, der zweite Sohn (Nr. 3 der Prinzenliste) erhält den Namen Paraherwenemef (Ra ist bei seiner Rechten), die erste Tochter heißt Merit-Amun (Geliebte des Amun), die beiden letzten Söhne sind Meri-Re (Nr. 11 der Prinzenliste) und Nr. 16 der Prinzenliste Meri-Atum (Geliebter des Atum/Atum repräsentiert die alternde Form des Sonnengottes). Außerdem gebar sie ihrem Gatten Nebettaui (Nr. 5 der Prinzessinnenliste/als deren Mutter könnte allerdings auch Isisnofret in Betracht kommen)und Henuttaui (Nr. 7 der Prinzessinnenliste).

 

 

Nefertari erscheint schon im ersten Regierungsjahr Ramses II. bei offiziellen Anlässen an seiner Seite, was durch eine Szene im Grab TT 157 des Hohepriesters Nebwenenef von Karnak belegt wird, der in einer Inschrift von seiner Amtseinsetzung durch den Pharao berichtet und das Herrscherpaar sogar abbilden lässt.
Oft ist Nefertari als winzigkleine Figur an der Seite der monumentalen Statuen ihres Gemahls zu finden. Ihre Denkmäler stammen jedoch fast ausschließlich aus dem oberägyptischen bzw. nubischen Raum. Diese Anhäufung könnte natürlich einerseits für eine Herkunft der Königin aus dem Süden sprechen, aber auch nur die Befundsituation wiederspiegeln. Wenn man bedenkt, wie wenig von den großen Tempelanlagen von Heliopolis oder Memphis erhalten geblieben ist, so darf es nicht verwundern, daß von dort kaum Spuren der Gemahlin(nen) Ramses II. stammen. Aus Heliopolis kennt man wenigstens eine Statuenbasis der Königin, die mit ihren Titeln und Namen beschriftet ist.

  Nefertari in Luxor  

  Statuenbasis aus Heliopolis
Statuenbasis aus Bahtim bei Heliopolis
nach Schmidt/Willeitner, Nefertari, S. 46
 

Weitere bekannte Monumente der Königin stellen ihr wunderschönes Grabmal QV 66 im Tal der Königinnen dar, das für seine farbenprächtigen Malereien bekannt ist, aber für Besucher geschlossen wurde. Ein virtueller Besuch der Räumlichkeiten, um wenigstens einen Eindruck von der Anlage zu erhalten, ist möglich bei osirisnet.net (der auch sonst sehr empfehlenswerten Homepage von Thierry Benderitter).
Bei dem anderen Kultbau, der Nefertari geweiht war, handelt es sich um den kleinen Tempel von Abu Simbel, wo nicht nur Hathor von Ibschek, sondern auch eine vergöttlichte Form Nefertaris, die als Personifikation Hathors auftrat, verehrt wurde. An der Fassade dieses Heiligtums finden sich zwei Figuren der Königin, die gleich groß wie die Ramses II. die Tempelfront schmücken. Als eine weitere Besonderheit der Dekoration ist die Abbildung Nefertaris im Tempelinneren zu sehen, die hinter ihrem Gatten beim Schlagen der Feinde zugegen ist. Möglicherweise hat sich jedoch ein ähnliches Relief im Tempel von Akscha befunden, von dem allerdings nur noch die Füße der Beteiligten erhalten geblieben sind. Hier findet sich dieses Motiv einmal auf der Südwand der Pfeilerhalle, wo der König (mit oberägyptischer Krone) einen Nuber massakriert und einmal auf der Nordwand, wo er entsprechend die unterägyptische Krone trägt und einen Libyer erschlägt.


Schlagen der Feinde im kleinen Tempel von Abu Simbel
Das Schlagen der Feinde im kleinen Tempel von Abu Simbel
Nordwand der Pfeilerhalle


  Weitere Darstellungen Nefertaris

Die Abbildungen Nefertaris zeigen das Ideal einer ramessidischen Königin, über ihr wirkliches Leben und ihren Charakter wissen wir jedoch nichts. Auch ob die viel propagierte große Liebe zwischen Ramses II. und seiner Gemahlin wirklich bestanden hat, ist nicht nachweisbar. Ihre Epitheta, die dafür als Beweis herangezogen wurden, entsprechen jedoch konventionellen Formeln, die den ewig jugendlichen Liebreiz einer Frau und ihre Weiblichkeit betonen sollten. Diese sind in der Form eines Gedichtes nach einer Inschrift an der Innenseite des ersten Pylons von Luxor von Siegfried Schott veröffentlicht worden:

 
  Nefertari an der Seite einer Sitzstatue Ramses II. in Luxor  

Die Fürstin, reich an Lob, Herrin des Liebreizes,
süß an Liebe, Gebieterin der beiden Länder,
schön an Händen mit Sistren,
die ihren Vater Amun beglückt.

Die sehr geliebte mit der Krone,
Sängerin mit schönem Antlitz, herrlich mit den Federn,
Größte des Frauenhauses der Herren des Palastes,
über deren Aussprüche man zufrieden ist.

Alles, was sie sagt, wird ihr gemacht,
alles Schöne nach ihrem Wunsche.
Alle ihre Worte bringen Zufriedenheit auf die Gesichter.
Man lebt davon, ihre Stimme zu hören.


Schott, Altägyptische Liebeslieder, S. 95



 

Darstellungen Nefertaris an den linken Unterschenkeln zweier Kolossalstatuen Ramses II.
links bzw. rechts vom Tordurchgang des zehnten Pylons von Karnak

Als sicher jedoch kann gelten, daß Nefertari eine gewisse politische Bedeutung gehabt haben muß; möglicherweise, weil sie tatsächlich Thebanerin bzw. Oberägypterin war und sich die aus dem Delta stammende Königsfamilie durch die Vermählung Vorteile versprach bzw. eine engere Verbindung zum Süden erreichen wollte. Daß Nefertari offensichtlich nicht nur im Kult bzw. in religiösen Bereichen ihre Rolle ausfüllte, sondern durchaus Anteil an der Politik ihres Gatten nahm, zeigt die von ihr eigenständig geführte Korrespondenz mit der hethitischen Königin nach dem Friedensschluß mit Hatti im Jahr 21. Der Brief ist auf einer Tontafel in Keilschrift verfasst und im Staatsarchiv von Hattuscha aufbewahrt worden:

So spricht Naptera, die Großkönigin des Landes Ägypten: Zu Puduchepa, der Großkönigin des Landes Hatti, sprich: Mir, deiner Schwester, geht es gut und meinem Lande geht es gut. Dir, meiner Schwester, möge es gut gehen und deinem Lande möge es gut gehen. Ich habe nunmehr gehört, daß du, meine Schwester, mir geschrieben hast, um dich nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen, und daß sie mir schreibt wegen des Verhältnisses des guten Friedens und wegen des Verhältnisses der guten Brüderschaft, in dem sich der Großkönig, der König des Landes Ägypten, mit dem Großkönig, dem König von Hatti, seinem Bruder, befindet.
Der Sonnengott und der Wettergott werden dein Haupt erheben und der Sonnengott wird den Frieden gedeihen lassen, und er wird die gute Brüderschaft des Großkönigs, des Königs des Landes Ägypten, mit dem Großkönig, dem König des Landes Hatti, seinem Bruder, auf ewig gewähren; auch ich bin in Frieden und bin verbrüdert mit dir - ich ebenfalls.
Nunmehr habe ich dir ein Geschenk übersandt als Begrüßungsgeschenk für dich, meine Schwester, und du, meine Schwester, mögest das Geschenk erfahren, das ich dir gesandt habe durch die Hand des Parichnawa, des Königsboten: 1 Kette für den Hals, sehr bunt, aus gutem Gold, aus 12 Strängen bestehend, deren Gewicht 88 Schekel (d.h. 801 Gramm) beträgt. 1 buntes linnenes maklalu-Gewand aus Byssos, 1 bunte linnene Tunika aus Byssos, 5 bunte linnene Gewänder aus gutem, dünnem Faden, 5 bunte linnene Tuniken aus gutem, dünnen Faden. Summe aller linnenen Gewänder: 12 linnene Gewänder."

nach Klengel, Hattuschili und Ramses, S. 98

Nefertari starb vermutlich im 25. Regierungsjahr Ramses II.
Ihr letzter offizieller Auftritt fand bei der Einweihung der beiden Tempel von Abu Simbel statt. Begleitet wurde das Königspaar dabei von seiner ältesten Tochter Merit-Amun, die die Rolle, die ihre Mutter als Königsgemahlin eigentlich auszufüllen hatte, anscheinend bereits übernommen hatte. Jedenfalls tritt sie nach den Abbildungen auf der Stele des Hekanacht als die Aktivere der beiden Frauen auf, woraus man geschlossen hat, daß Nefertari, von Krankheit gezeichnet und von der Reise geschwächt, gesundheitlich nicht in der Lage war, die erforderlichen Riten zu vollziehen.

Stele des Hekanacht in Abu Simbel
Stele des Hekanacht, Königssohn von Kusch, in Abu Simbel

Während im oberen Register der König und die Prinzessin einer Göttertriade (Amun-Ra und Re-Harachte mit einer namenlosen Göttin -vermutlich Hathor von Ibschek- in der Mitte) opfernd zu sehen sind, erscheint im unteren die Gestalt Nefertaris ebenfalls sitzend mit einem Anchzeichen in der Hand (was auf ihren göttlichen Status hinweist), der der Königssohn von Kusch, Hekanacht, huldigt. Nefertaris Name und ebenso ihre Titel (!) -Große Königliche Gemahlin und Gottesmutter- sind in Kartuschen geschrieben, jedoch wird Merit-Amun nicht als Königsgemahlin oder Große Königliche Gemahlin bezeichnet, sondern nur als Königstochter. Da Nefertari nach diesem Ereignis im 24. Regierungsjahr Ramses II. nicht mehr abgebildet wird und auch beim ersten Hebsed des Königs nicht in Erscheinung tritt, muß sie wohl in diesem Zeitraum verstorben sein. Beigesetzt wurde sie in ihrem prächtigen Grab im Tal der Königinnen, in dem man noch minimale Reste ihrer Grabausstattung aufgefunden hat, wie z.B. der Deckel einer Holzschatulle mit der Aufschrift Osiris GKG Nefertari Merit-en-Mut; Bruchstücke des Sarkophagdeckels aus Rosengranit; Deckel eines bunt bemalten Holzkästchens mit Inschrift; 34 Uschebtis aus Holz mit einem Überzug aus dunklem Harz, die als Inschrift das 6. Kapitel des Totenbuches tragen; ein Paar geflochtene Sandalen aus Palmbast; kleine Bruchstücke von Gold- und Silberblechen mit Nefertaris Namen; Djed-Pfeiler (Amulette) mit Inschriften sowie drei Djed-Pfeiler-Fragmente, eine Amphore und das Stück eines mumifizierten Beines - ob es sich aber um ein Teil der Mumie Nefertaris handelt, ist nicht zu klären. Die Reste ihres Grabschatzes befinden sich heute im Museo Egizio in Turin, dessen damaliger Direktor Ernesto Schiaparelli das Grab 1904 entdeckte.