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Kurzer Abriß der Geschichte von Abydos
Abydos liegt in Mittelägypten, ca. 165 km nördlich von Luxor bzw. 560 km südlich von Kairo.
Während der pharaonischen Zeit gehörte die Stadt zum achten oberägyptischen Gau Ta-wer (übersetzt: großes bzw. älteres/ältestes Land), dessen Hauptstadt Thinis war.
Schon während der Frühgeschichte Ägyptens zeichnet sich die Bedeutung von Abydos als religiöser Kultort ab: die Könige der Vorzeit sowie der ersten beiden Dynastien ließen sich hier bestatten (die späteren Herrscher der zweiten Dynastie wahrscheinlich aber schon in Sakkara), außerdem befand sich in Abydos der Tempel des Chontamenti, dessen Bau auf die erste Dynastie zurückgeht und bis in die Spätzeit mehrfach erweitert wurde.
Der hundeköpfige Chontamenti (übersetzt: der Erste der Westlichen) war der Wächter des riesigen abydenischen Nekropolengebietes und verschmolz später mit Osiris, der etwa ab der fünften Dynastie als Erscheinungsform des verstorbenen Pharao und Herrscher des Jenseits verehrt wurde.
Obwohl Abydos als königlicher Bestattungsort zu Beginn des Alten Reiches (oder sogar schon vorher ?) aufgegeben wurde, blieb es dennoch Sitte, sich dort ein Scheingrab, einen sogenannten Kenotaph bzw. mindestens eine Stele errichten (auch von Normalbürgern) zu lassen.
Osiris
Abydos war -seit dem Mittleren Reich nachweisbar- der bedeutendste Wallfahrtsort Ägyptens, da sich in der Stadt eine der Begräbnisstätten des Gottes Osiris befand, der von seinem Bruder Seth im Kampf um die Königsmacht in Ägypten zerstückelt wurde und dessen einzelne Glieder an verschiedenen Orten in Ägypten beigesetzt worden waren.
Seit dieser Zeit ist auch die Wallfahrt nach Abydos ist als beliebtes Motiv der Grabdekoration nachweisbar: es handelt sich dabei um die Wiedergabe der Reise einer Kultbarke, die die Mumie des Verstorbenen nach Abydos trägt und der dabei erforderlichen Handlungen (Schlachtung eines Rindes, Räucherungs- und Reinigungsrituale).
Abydos war nun berühmt dafür, sich im Besitz einer besonder heiligen Reliquie zu befinden: das Haupt des Osiris.
Als dessen Grab wurde ein Hügel bei Umm el-Qa'ab (übersetzt: Mutter der Scherben) verehrt, der älteste Friedhof im abydenischen Stadtgebiet mit über 340 Gräbern und acht Königsgräbern.
Ab der 18. Dynastie, nach einer archäologischen Untersuchung des Gebietes unter Amenophis III, wird das dort befindliche Grab des Königs Djer als Osirisgrab verehrt und damit zum Anziehungspunkt für Pilger. Bezeugt ist deren große Frömmigkeit durch die Massen der Überreste von Gefäßen, Opfergaben, Weihetäfelchen und Uschebtis (daher der heutige Name: Mutter der Scherben).
Die prächtigen königlichen Scheingräber und Millionenjahrhäuser, die dem Kult des Osiris und des verstorbenen Pharao dienten, stammen ebenfalls aus dem Neuen Reich, möglicherweise haben aber auch schon die Könige des Mittleren Reiches dort Kenotaphe für sich errichten lassen -zumindest lässt sich ein Komplex dem Kult des Königs Sesostris III zuordnen.
Der Bau des prächtigsten und am besten erhaltenen Tempels von Abydos wurde unter Sethos I begonnen und von Ramses II vollendet.
Er liegt bei dem modernen Dorf al-Arabah al-Madfunah, östlich von Umm el-Qa'ab, am Rande des Fruchtlandes und ist bekannt für seine gut erhaltenen, farbenprächtigen und feinen Reliefs.
Die große Besonderheit des Baues besteht in dem Fehlen einer Zentralachse -wie sonst für ägyptische Tempelgebäude üblich-, denn er weist gleich sieben Achsen auf, die zu den sieben Kapellen der sieben von den Ramessiden besonders verehrten Götter (inklusive dem vergöttlichten Pharao) führen: (von Osten nach Westen gesehen) Sethos I, Ptah, Re-Harachte, Amun, Osiris, Isis und Horus.
Von der Osiriskapelle aus gelangt man zu einer weiteren Raumflucht, die dem speziellen Kult des Osiris und seiner Familie -d.h. Isis und Horus- geweiht war. Hier fanden auch die nicht öffentlich abgehaltenen Osirismysterien statt, die der Wiederbelebung des toten Osiris beim Pekerfest dienten (zum Pekerfest siehe unten).
Von großer Bedeutung ist ebenfalls die berühmte Königsliste von Abydos, die eine chronologische Auflistung fast aller regierenden Herrscher von Menes an (unter Auslassung der Amarnapharaonen z.B.) bietet.
Hinter dem eigentlichen Tempelgebäude liegt der Kenotaph Sethos I, das sogenannten Osireion, der der Idealvorstellung des Osirisgrabes von Busiris nachempfunden wurde: eine Insel von Wasser umflossen als Anspielung auf den Urhügel, auf dem alles Leben entstand.
Im Osireion Sethos I befindet sich diese (künstliche) Insel in einer Pfeilerhalle, auf ihr befand sich einst der leere Granitsarkophag des Königs.
Die Feste von Abydos
Verbunden mit einer Wallfahrt nach Abydos konnte man auch den am Beginn des neuen Jahres stattfindenden Festspielen zu Ehren des Osiris beiwohnen.
Die mehrtägigen Feiern bestanden aus mehreren Festen, die seit dem Mittleren Reich bezeugt, wahrscheinlich aber auf Bestattungsriten der Thinitenzeit zurückzuführen sind.
Den Auftakt bildete (im MR zumindest) wohl das Hakerfest, der genaue Ablauf der Feierlichkeiten, zu denen auch das unten näher beschriebene Pekerfest ghörte, kann nicht rekonstruiert werden.
Die Bedeutung des Hakerfestes ist unklar, ebenso die des Wortes Haker, sicher ist, daß es zu den abydenischen Osirisfesten gehörte; möglicherweise handelt es sich um ein Fest, bei dem die Wiederbelebung des Osiris und aller Verstorbenen erfleht und erhofft wurde.
Im Zentrum der Feiern stand aber das sogenannte Pekerfest, ein Spektakel, mit dem das Schicksal des Osiris für die breite Masse seiner Anhänger dargestellt wurde.
Die Hauptzeremonie bildete dabei der Auszug des Osiris aus seinem Tempel in Kôm es-Sultan (im Nordwesten) nach Peker (der alte Name von Umm el-Qa'ab) zu seinem Grab.
Osiris erscheint zu Beginn als irdischer Herrscher, dem der wolfsköpfige Kriegergott Upuaut (übersetzt: der Öffner der Wege) den Weg freimacht und die Prozession der Neschmetbarke anführt, auf der Osiris steht und im Vorbeimarsch die Rebellen niederwirft.
Danach folgt der Große Auszug, der mit dem Tode des Osiris endet, was nach Herodot stets zu einer großer Trauer und leidenschaftlichen Klage bei den Anwesenden geführt haben muß. Es wird von Selbstverstümmelungen berichtet, die Teilnehmer der Prozession sollen sich sogar die Brust zerfleischt haben. Der Große Auszug bildete wiederum den Höhepunkt des Pekerfestes, er fand seit dem MR am 22. Tag des ersten Monats der Überschwemmung statt (so auch der Festkalender im Tempel Ramses II in Medinet-Habu).
Man geleitet dann den toten Gott zu seinem Grab, man macht dabei auch Station an den Kenotaphen und Tempeln der Könige, die u.a. als Ruheort für die Götterbarke bzw. der heiligen Reliquie auf ihrem Weg nach Peker fungieren.
Osiris aber kann im Großen Kampf auf den Wassern von Nedit gerächt werden und kehrt schließlich in seinen Tempel zurück.
Die Wiederauferstehung des Gottes findet allerdings in aller Stille während der Mysterien im Tempel statt: im Sethostempel in Abydos waren dafür spezielle Räumlichkeiten, die man durch die Osiriskapelle betreten konnte, vorgesehen. Deren Dekoration zeigen die dafür erforderlichen Kulthandlungen, zu denen u.a. das Aufstellen des Djedpfeilers durch den Pharao gehörte und durch die Osiris regeneriert und zu neuem Leben erweckt wurde.
Aufstellen des Djedpfeiler durch Sethos I
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